LUTZ KRAMER: Wie lange arbeitest Du schon für den Arbeitskreis Asyl in Griesheim und was genau machst Du dort?
Jutta Koch: Seit fast drei Jahren bin ich jetzt dabei. Ich organisiere die ehrenamtlichen Deutschkurse und helfe bei der Antragstellung für Integrationskurse und bei der Suche nach geeigneten Plätzen in den Sprachkursen der verschiedenen Sprachschulen. Außerdem vertrete ich das Deutsch-Team bei den regelmäßigen Treffen im Arbeitskreis.
LK: Wie viele ehrenamtliche Lehrer gibt es bei Euch im Team und warum gebt Ihr ehrenamtliche Deutschkurse?
JK: In Spitzenzeiten 2016 gab es ca. 25-30 Lehrer im Team in 9-10 Lerngruppen mit ca. 6-12 Teilnehmern. So viele Kurse waren nötig, weil längst nicht alle Flüchtlinge aus allen Ländern Anspruch auf einen offiziellen Integrationssprachkurs hatten. Nur Flüchtlinge mit einer „guten Bleibeperspektive“ bekommen einen solchen Kurs, wobei die Wartezeit auf die Zulassung vom Bundesamt und einen Kursplatz oft sehr lang war, bis zu 6 Monate und mehr.
Deshalb haben wir seit 2015 etwa 2 ½ Jahre lang ehrenamtliche Deutschkurse angeboten, zweimal in der Woche für 1 ½ Stunden. Das war relativ wenig Lernzeit und viel unausgefüllte Zeit. Es sah dann für Außenstehende vielleicht aus wie „rumgammeln“. Tatsächlich wollten und wollen die jungen Leute lieber heute als morgen lernen und arbeiten.
Mittlerweile gibt es glücklicherweise für fast alle Flüchtlinge mehrstündige Deutschkursangebote, so dass wir die Arbeit im Team viel stärker auf die Hausaufgabenhilfe sowie Schreib- und Lesetraining verlagern konnten. .
LK: Sind die Flüchtlinge denn motiviert?
JK: Die meisten Flüchtlinge kommen hoch motiviert in Deutschland an. Dann aber stoßen sie auf einen Alltag, der für sie viele Schwierigkeiten bereithält: beengtes Wohnen mit fremden Personen auf kleinem Raum, bürokratische Hürden mit Papieren, die sie nicht verstehen und eine Sprache, die zu lernen sehr mühsam ist.
Dazu kommen zermürbend lange Wartezeiten auf Bescheide der verschiedenen Ämter und auf die Sprachkurse. Manche Flüchtlinge sind nur ein paar Jahre zur Schule gegangen oder haben nach mehreren Jahren auf der Flucht viel verlernt. Andere haben Englisch gelernt oder studiert, dann ist es natürlich einfacher.
Die permanente Unsicherheit, ob und wie lange sie in Deutschland bleiben dürfen, sowie die Angst um Angehörige und Freunde, die noch im Heimatland oder auf der Flucht sind, besetzen den Kopf.
LK: Wie lange dauert es mit dem Deutschlernen?
JK: Unter diesen Voraussetzungen ist es sehr schwer, eine fremde Schrift und Sprache zu lernen.
Dazu kommt, dass die Sprachkurse sehr schnell - innerhalb von 6-9 Monaten - absolviert werden müssen. Das ist etwa so, als sollten wir Deutsche innerhalb von 6-9 Monaten so gut Arabisch lernen, dass wir Briefe lesen und schreiben und Nachrichten verstehen können. Wer würde das schaffen? Außerdem geraten viele Flüchtlinge in eine verzweifelte Situation: Ihre Familien haben oft viel Geld für die Flucht ausgegeben und erwarten nun, dass sie schnell arbeiten und Geld schicken, damit die Familien überleben und ihre Schulden für die teure Flucht zurückzahlen können. Die Hilferufe ihrer Familien stehen aber im Widerspruch zu den Ratschlägen und Forderungen, sie sollten erst einmal gut Deutsch lernen und eine Ausbildung machen. Viele versuchen deshalb, mit Minijobs oder einfachen Teilzeitjobs Geld zu verdienen. Aber die meisten Helfertätigkeiten oder Angebote der Zeitarbeitsfirmen erfordern flexible Arbeitszeiten oder Schichtarbeit, was wiederum mit dem Besuch von Sprachschulen nicht vereinbar ist. Trotzdem sind die meisten Flüchtlinge gut vorangekommen. In diesem Jahr haben viele schon ihre B1-Zuwandererprüfung abgelegt und damit eine gute Grundlage geschaffen. Im nächsten Jahr werden fast alle Flüchtlinge mit den gesetzlich vorgeschriebenen Deutschkursen fertig sein und sich um eine Ausbildung oder eine Arbeitsstelle bewerben. Über erste Erfolge in diesem Bereich haben wir uns sehr gefreut und hoffen, dann an dieser Stelle auch darüber berichten zu können.
LK: Vielen Dank für das Gespräch.
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