Am 8. Juni 2021 fand ein Gespräch zwischen Vertreter(inn)en des Landkreises und des Sozialen Dienstes in den Griesheimer Sammelunterkünften (SKA), dem Bürgermeister sowie dem Integrationsbeauftragen der Stadt Griesheim, und den ehrenamtlichen Helfer(inn)en des AK Asyl Griesheim unter Leitung der Sozialdezernentin Frau Lück statt.

Im Zuge dieses Gespräches wurden wir darüber informiert, dass die große Sammelunterkunft in der Bunsenstraße 5 (B5) in Griesheim geschlossen werden soll. Mit dem Betreiber werde eine Auflösung des noch bis 2025 gültigen Vertrages verhandelt. Ziel sei es, die Unterkunft bis zum 31.8.2021 zu schließen und die Bewohner auf andere Unterkünfte im gesamten Landkreis „umzuverteilen“.

Die Unterkunft in der Bunsenstraße 5 ist in einem sehr schlechten Zustand. Weil Teile des Gebäudes nicht mehr bewohnbar sind, leben hier zurzeit noch etwa halb so viele Personen wie vorgesehen. Grundsätzlich haben wir daher auch von ehrenamtlicher Seite nichts gegen eine Schließung einzuwenden.

Der Landkreis bat uns um Unterstützung, weil wir - ebenso wie der SKA - mit den Lebensverhältnissen der Bewohner einigermaßen vertraut sind. Detaillierte Kenntnisse z.B. der jeweiligen Arbeits- und Ausbildungsverhältnisse sind in der Tat nötig, um den Umzug der Geflüchteten aus der B5 in andere Unterkünfte so vorzubereiten, dass sich ihre Lebenssituation etwa durch Verlust des Deutschkurses, des Arbeitsplatzes, des Kitaplatzes oder wichtiger sozialer Beziehungen nicht wieder verschlechtert.

Eine Schließung zum 31.8.2021 schien uns zu ambitioniert, da wir befürchten, dass die Bewohner dann womöglich Unterbringungsangebote annehmen müssen, und keine Wahl mehr haben.

Nachdem wir unsere Bedenken vorgetragen hatten, wurde uns am 8. Juni Folgendes zugesichert: -Jeder Bewohner bekommt drei Angebote in anderen Unterkünften.

  • Der Landkreis übernimmt es, die Menschen zum Anschauen hinzufahren, damit sie sich entscheiden können. Die Infrastruktur muss stimmig sein, die Menschen bekommen die Kitas und Schulen in den jeweiligen Orten gezeigt, es wird echte Alternativen geben, keine Scheinangebote.
  • Unsere Bedenken hinsichtlich der sehr engen Zeitangebote werden dem Kreisausschuss und dem Betreiber vorgetragen; unser Vorschlag für den Abschluss einer kompletten Räumung des Gebäudes zum Jahresende werde in die Vertragsauflösungsverhandlungen mitgenommen.
  • Eine Arbeitsgruppe bestehend aus Vertreter(inn)en der anwesenden Beteiligten wird gebildet.

 

Nachdem wir einige Zeit nichts mehr gehört hatten, gingen wir davon aus, dass der 31.8. als Auflösungszeitpunkt des Vertrages nicht mehr angestrebt wird.

Am 14.7.2021 wurden wir im Rahmen des ersten Treffens der Arbeitsgruppe darüber informiert, dass der Vertrag bereits zum 31.8. aufgelöst sei. Am 26.8. müssten alle Bewohner die Unterkunft verlassen haben damit das Gebäude pünktlich übergeben werden könne. Damit wurde klar, dass gerade noch sechs Wochen bleiben, um 79 Menschen mitzuteilen, dass sie ihre bisherige Wohnung zu verlassen haben und sie auf andere Unterkünfte zu verteilen. Unsere Bedenken wurden im Kreisausschuss entgegen der Zusage ganz offensichtlich nicht berücksichtigt denn von Betreiberseite gab es keinerlei Zeitdruck.

Da wir eine menschenfreundliche Umsetzung der Umzugsaktion in dem jetzt beschlossenen engen Zeitraum nicht für möglich halten, hat der Arbeitskreis Asyl die Arbeitsgruppe mit dem Flüchtlingsamt unter Protest verlassen.

Die Bewohner der B5 haben inzwischen alle ein Schreiben bekommen, in dem ihnen ihr kurzfristiges Umzugsdatum lapidar mitgeteilt wird. Ihnen wird gerade drastisch vor Augen geführt, dass sie keine Rechte haben.

Die Bewohner der B5 haben teilweise schon mehrere Jahre in Griesheim gelebt, sie haben dort Freunde, Arbeit und ein bisschen Zuhause gefunden. Für uns bedeutet diese überstürzte Aktion des Landkreises, dass Letzterem das Geld immer über die Integration und das Wohlergehen dieser Menschen geht. Die B5 wird geleert, um Leerstände in anderen Unterkünften „aufzufüllen“.

Wir verstehen, dass Leerstände in Unterkünften nicht grenzenlos bezahlt werden können. Es fehlen jedoch Überlegungen, ob man Leerstände nicht wenigstens teilweise nutzen könnte, um bessere Wohnbedingungen für die Bewohner(inne)n zu schaffen. Viele der Geflüchteten suchen seit Jahren vergeblich nach einer bezahlbaren Wohnung.

Nun sind wir gespannt, ob die anderen Zusagen eingehalten werden, z.B. die, dass die Bewohner(innen) sich zwischen mehreren Unterkünften entscheiden können, nachdem sie diese auch gezeigt bekamen. Wir kümmern uns selbstverständlich weiterhin um die betroffenen Menschen. An einem überstürzten und erzwungenen Großumzug werden wir uns jedoch nicht beteiligen. Nach den Kriterien des Mietrechts wäre ein solches Vorgehen auch vor keinem Gericht durchsetzbar – aber Mietrecht gilt in Flüchtlingsunterkünften nicht.